Kapitel 5

Einmal schnuppern, bitte


 “Blamieren oder kassieren?

~ rechts vom Fischhaus 


Hauptprobe. Gemütlich gondelte ich dem schönen Bodensee entlang. Um das anvisierte Ziel zu finden, benötigte ich kein Navi. Die Bodenseearena befand sich ganz in der Nähe des, von meinem Sohn heiss geliebten, „Fischhauses“. Mein Elektroobst aber hatte trotzdem Dienst, liess ich mich doch in Endlosschlaufe von meinem BlindAudition-Song beschallen. Die Billiglautsprecher meines fahrbaren Untersatzes waberten mit ihren Membranen. Nicht gerade HiFi, aber gut genug um mich auf die bevorstehende Hauptprobe vorbereiten zu können. „Let me go ho-o-o-ome“, sang ich aus voller Kehle. Ich wollte mir nicht wirklich vorstellen, was wohl die Autolenker auf der Gegenfahrbahn dachten. Egal. Ich hatte eine Aufgabe zu erledigen.

Ich parkte meinen Mini-Chevrolet auf dem grossen Kiesplatz und begab mich ins Empfangszelt um mich anzumelden. Nach einer kurzen Begrüssung und längeren Ausführungen zum Tagesablauf, hielt ich ihn zum ersten Mal in meinen Händen. Meinen offiziellen TheVoice-Batch. Ein kleines Stückchen Papier, eingeschweisst in Plastik. Talent. Von nun an war ich ein Talent. Eines von 80 Talents, welche sich vor, oder wohl eher hinter Stefanie Heinzmann, Stress, Marc Sway und Philipp Fankhauser auf der Bühne präsentieren durften. 90 Sekunden Buzzertime. Blamieren oder kassieren, wie es in einer Sendung bei den Germannen heisst. Meine Ziel war es zu kassieren. Mindestens einen Buzzer nur. Aber noch war es nicht soweit. An diesem Tag ging es ausschliesslich darum den vorbereiteten Song ein-, zwei-, dreimal durchzuspielen und ein Gefühl für die Bühne zu kriegen. Alles war bis auf jedes erdenkliche Detail durchorganisiert. Warten im Familyroom, Transfer zum Talentcontainer (oder wie das Blechding auch immer hiess), warten im Container, Transfer zum Einsingraum, 10 Miuten einsingen, Transfer zum Backstagebereich, warten. Keine Toilettengang ohne Begleitung (nur bis zur Türe natürlich). Es musste halt eben zu jeder Zeit bekannt sein, welches Talent sich wo aufhält. Genauso würde es dann auch bei der BlindAudition ablaufen. Aus dem Backstagebereich konnte man schon mal auf die Bühne schielen, die Band von hinten betrachten und die Konkurrenz inspizieren. Zu Stärkung gab es allerlei Obst, Mineralwasser und Tee mit irgendwelchen Wurzeln, welche man sich ins heisse Wasser schnippeln konnte. Anscheinend gut für die Stimme. Meine Stimme oder sonst irgendwas in meinem Innern aber wollte Kaffee. Leider Fehlanzeige. Na dann Prost. Wohl oder übel brühte ich mir einen Tee. Ohne Gesangswurzel.

 

Eine, mit Funkgerät und Ohrstöpseln verkabelte, junge Frau, holte mich aus meinem Scanmodus. Nun ging es los. Ich war als nächster an der Reihe und durfte nun auf die Bühne. Cool. Glasplatten mit unten liegenden Lämpchen und eingelassenen Lautsprechern. Nik, der Bühnenchef, erklärte mir im Eilzugtempo, aus welcher Richtung ich auf die Bühne kommen werde, wo mein Verstärker platziert wird, ich zu stehen und wohin ich nach dem Auftritt zu gehen habe. Das ganze in zwei möglichen Varianten. Blamieren oder kassieren. Sollte sich niemand für mich umdrehen, hätte ich dies und das und jenes zu tun. Nach mindestens einem gedrückten Buzzer würde es dann so, so, so und so ablaufen. Aha. Ich hatte alles verstanden, was er sagte, aber ehrlich gesagt, mir vielleicht gerade mal die Hälfte davon merken können. Nun aber, war Fred an der Reihe. Der musikalische Leiter zückte seinen Tablet und fingerte sich bis zu meinem Song durch. „Du spielst mit dem Pianisten, oder?“ Eigentlich dachte ich, dass mich die ganze Band begleiten würde. „Aha. Und du singst den Song in der Originaltonart?“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob Fred das als Frage oder Bemerkung aussendete. Nein, eigentlich nicht. Ich hatte mit der Musikredaktion ausgemacht, dass ich den Song auf F-Dur performen würde. Also einen ganzen Ton tiefer als das Original. Dann spielte er mir noch zwei Versionen meines Songs vor. Die erste war die falsche. Sorry, Michael! Natürlich war die erste Version die richtige, echte. Die von Michael Bublé eben. Aber sie war trotzdem falsch. Nämlich nicht so, wie es ausgemacht war. Variante zwei war dann schon besser. Die hörte sich so an, wie der Entwurf, den ich von der Redaktion erhalten hatte. Zu meinem Glück hatte die Band natürlich die Originalversion eingeübt. Na super. Kein Problem. Ein kurzes Briefing später spielte die Band „meine“ Variante als hätten sie niemals zuvor eine andere gespielt. Cool. Da fühlte man sich gleich aufgehoben. Na dann; eins, zwei, drei, vier... Another sommerday, has come and gone away. Kurz darauf war ich auch schon wieder weg. Nach zwei Durchgängen war Schluss. Noch einen Transfer (mit Begleitung) zurück zum Anmeldezelt, wo nun die Abmeldung durchgeführt wurde und schon stand ich wieder auf dem grossen Kiesplatz. Ich warf mich in mein Auto, startete dessen unterdimensioniertes Motörchen und cruiste heimwärts ‘gen Westen. Talent. Der Batch auf dem Beifahrersitz lächelte mich an. Den durfte ich behalten.


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